Vor vielen Jahren, im Sommer 1982 wars, machten wir mit unseren Kindern Denise und Michael eine zweitägige Wanderung mit Übernachtung im Landgasthof Linden in Linden bei Oberdiessbach: für 20 Franken mit Zmorge. Folgende Begebenheit habe ich damals in der Quartierzeitung Chleeblatt veröffentlicht. Wir lebten nämlich 11 Jahre lang im Bümplizer Quartier Kleefeld in einem Hochhaus im 9. Stock. Läset doch einisch.

Es Burezmorge

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In Linden wars, wo wir nach einer mehrstündigen Wanderung übernachteten: in alten, mit Holztäfer ausgekleideten Zimmern und in Betten mit richtigen Rosshaarmatratzen (nicht das synthetische Zeugs, wo man im Sommer schwitzt und im Winter friert!). Und rot-weiss kariertes Bettzeug mit Barchentleintüchern setzte das i-Tüpfli auf das richtige Ämitalergfüel.
Draussen ging ein heftiges Gewitter nieder mit Getöse und Krachen, wie es nur im Emmental möglich ist; wir aber schliefen, eingemummelt in weiche Daunen, den Schlaf der Gerechten und träumend von neuen Wandergrosstaten, friedlich dem Morgen entgegen, der mit einer Überraschung aufwartete: mit einem feinen Burezmorge nämlich. Auf dem liebevoll gedeckten Tisch in der Gaststube standen heisse Milch und dampfender Kaffee, Käse, verschiedene Konfitüren, die beste Züpfe, die wir je genossen, und natürlich chüschtigs Burebrot – und plötzlich, wie wenn wir sie bestellt hätten, gruppierten sich um unseren Tisch urchige Jodler im Chüejermutz, auf dem Kopf das Chäppi, und sangen alsbald von dem Sennenleben hoch auf der Alp, vom schönen Schweizerland und den Kühen, von dem Sennemeitschi und dem Bursch, den es zum Manne bekommt: es war lauter Freud und Wonne, auch wenn der Solojodler jeweils beim ersten Einsatz etwa einen halben Ton danebenlag. Er suchte und fand denselben aber jedes Mal wieder, und vielstimmig besangen die Mannen die Heimat, derweil wir kräftig in das dick mit Anke bestrichene Ruuchbrot bissen und dazu heissen Kaffee aus grossen Tassen tranken. Nach gehabtem Genuss machten wir uns eine Stunde später auf, um das urchige Emmental weiter auf Schusters Rappen zu durchforschen.
Probierets doch o einisch – vilecht heit dihr Glück u überchömet o nes Jodlerzmorge serviert!

Andreas Steinmann 1982, Switzerland


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